#TheFirstSecond von Jérôme Clementz: Alleinsein und innere Stärke
© Maxime Moulin
Vélo
Dienstag, 10. Juli 2018

#TheFirstSecond von Jérôme Clementz: Alleinsein und innere Stärke

Das Aufsetzen seiner Brille oder Skibrille ist der letzte Handgriff vor dem Start.  Danach ist man nur noch auf sich konzentriert.  Es ist ein ganz besonderer, privater Moment, ein Augenblick des In-sich-Gehens, voll gepackt mit Emotion und Erfahrung... "The first Second"  Die erste Sekunde widerspiegelt den Menschen, nicht den Sportler.

 

#TheFirstSecond von Jérôme Clementz: Alleinsein und innere Stärke   

 

 "Wenn ich allein vor der Rennstrecke stehe, dringt nichts mehr zu mir vor"

 

Hinter seiner Scheibe konzentriert sich der Blick von Jérôme Clementz voll und ganz auf die Strecke und man spürt schon wie viel Konzentration, Siegeswillen und Kraft er in das Rennen stecken wird.  Wie macht es der Sportler, der in seiner ganzen Wettkampflaufbahn seinen Konkurrenten kaum eine Chance gelassen hat, dass er sich am Start in einen "Löwen" verwandelt, "der seine Beute verfolgt"?

Jérôme : "Ich reise gern.... Und nehme mein Rad auf Reisen mit.  Ich brauche auch Auszeiten vom Wettkampfsport.  Letzten Herbst bin ich zum Beispiel zwei Wochen nach Nepal gereist, einfach nur um durch das Land zu fahren und etwas von der Landschaft zu sehen.  Eine Seite meines Lebens machen meine Lebenspartnerin und meine Freunde aus und die andere der Wettkampfsport. Das sind zwei völlig unterschiedliche Welten..."


Ist so ein Wettkampf vor allem auch ein mentaler Vorgang?

Jérôme : "Beim Wettkampf wird man jemand ganz anderer. Im Training bin ich eher ruhig und ausgeglichen. Doch beim Wettkampf werde ich unbändig angriffslustig, zu einem richtigen Raubtier.  Wie ein Löwe, der seine Beute verfolgt - und das ist die Ziellinie.  Du musst so schnell fahren wie nur irgend möglich, damit sie dir nicht entkommt."

 

Bist du eher ein Mann der Aktion oder der Analyse?

Jérôme : "Ich habe früher Biathlon gemacht, die beiden Sportarten haben viele Gemeinsamkeiten. Man muss einerseits konzentriert und ganz bei sich, andererseits aber auch aggressiv und technisch perfekt sein. Man muss so sein wie ein Löwe oder ein Adler, der sein Opfer aussucht, die Situation analysiert, die Beute umkreist und sich dann schlagartig darauf stürzt.  Das erfordert Präzision!"

 

Woran denkst du vor dem Start?

Jérôme : "Ich versuche, mir nicht zu viele Fragen zu stellen, aber dennoch grüble ich immer darüber nach, welche Linie wohl die perfekte ist und wie viel Risiko ich eingehen sollte? Idealerweise schaltet man alle anderen Gedanken vor dem Start aus. Man lernt mit der Zeit, seinen Kopf völlig frei zu machen... schließlich fahre ich schon seit 20 Jahren Rennen, da habe ich also schon etwas an Erfahrung!"


Hast du ein besonderes Ritual, ehe du startest?

Jérôme : "Vor dem Wettkampf gibt es einen Moment der absoluten Ruhe, wo man alles noch einmal durchgeht und vorbereitet. Ich warte bis 10 Sekunden vor dem Start, um meine Brille aufzusetzen, und dann geht alles ganz schnell. Die letzten Einstellungen vor dem Start. Das ist für mich wie ein Ritual: ich ziehe mein Brillenband fest, drücke die Brille an, so dass sie dicht auf dem Gesicht aufliegt, das ist schon ein richtiger Reflex.... in den letzten Sekunden meine Brille richtig einzustellen gibt mir irgendwie Sicherheit.

Wenn das gemacht ist, und auch wenn die Uhr noch nicht läuft, hat das Rennen in meinem Kopf begonnen. Nach dem Start des Teilnehmers vor mir ist die Strecke frei und bereite ich mich darauf vor, sie in Angriff zu nehmen. Das ist der Moment, wo mein Zustand von innerer Losgelassenheit und Ruhe in einen Zustand der Anspannung wechselt, wo ich alles rauslassen muss!"

 

Und dann wirst du zum Warrior, zum wilden Tier?

Jérôme : Dann wird alles das, was in deinem Kopf abgelaufen ist - die Linie, die du fahren willst, die Performance, die du schaffen willst - zur Realität ... du stehst vor der Strecke und siehst wie sie tatsächlich verläuft.  Und auch wenn ich physisch am Start stehe, bin ich mental nicht mehr da. Ich stehe allein der Strecke gegenüber und schalte alles andere aus... den Wind, den Regen, die Sonne... Nichts erreicht mich mehr!

Jérôme Clementz :

Erster Sieger der Enduro Worlds Series im Jahr 2013 danach 6 Weltcup-Siege - Jérôme verwandelt sich bei jedem Start zu einem echten Warrior: "Wenn ich allein vor der Rennstrecke stehe, dringt nichts mehr zu mir vor"

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